Thema mit Variationen
Schon vor einigen Jahren hat der 1952 in Ohio geborene und seit geraumer Zeit in Frankfurt lebende Fotograf Peter McClennan damit begonnen, diese Orte aufzusuchen und jenen den Betrachter unmittelbar berührenden Augenblick zwischen trotziger Behauptung und langsamem Verschwinden festzuhalten. Doch mit "American Still Life", so der Titel der aktuellen Serie, die in den zum Abbruch bestimmten Siedlungen buchstäblich Zeichen setzende Tags jugendlicher Sprayer fokussiert, geht der Künstler einen entscheidenden Schritt weiter. Zwar schließt McClennan mit den im Laufe eines Jahres und mithin im Wechsel der Jahreszeiten entstandenen Folge an frühere Serien wie die "Displaced Portraits" und sein "American Housing"-Projekt an. Dass McClennan für die aktuelle Serie erstmals mit einer Digitalkamera fotografiert hat, schlägt sich indes in einem sichtlich direkteren, unmittelbareren Zugang zu seinen Motiven nieder. Die Wirkung ist frappierend. Denn was in Anbetracht seiner immer schon von malerischer Schönheit durchwirkten Landschaften seit jeher zu ahnen war, ist angesichts von "American Still Life" schlechterdings nicht zu übersehen: Jenseits der Motive tastet sich McClennans Blick entlang an malerischen Fragen und fokussiert nicht zuletzt das graphisch zu nennende Zusammenspiel von Linien, Flächen und Strukturen: Nicht wenige der aktuellen Aufnahmen sind bei genauerer Betrachtung nahezu abstrakt, wiewohl wir jede Einzelheit erkennen.
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Gleichwohl bleibt McClennan auch hier seinem zentralen, nicht zuletzt in seinen Landschaften immer wieder mit gebotener Zurückhaltung formulierten Thema treu. Natur und Zivilisation, Wachstum und Verfall markieren jene Pole, in deren Spannungsfeld sein Werk zwar eher leise, doch zugleich sehr eigene Töne von unverkennbarer Prägnanz anschlägt. Immer schon liebt der Künstler das Winterlicht, den langsamen Rhythmus des Verfalls und den Odem der Vergänglichkeit, den wie viele seiner Bilder auch die aktuellen Aufnahmen unübersehbar atmen. Die Variationen der "American Still Life"-Folge erscheinen freilich noch subtiler, grundiert von einem differenzierten und auf verschiedenen Wahrnehmungsebenen, mal leise und verhalten, mal gar nur als Echo, im Zusammenspiel von Licht und Schatten, Raum und Fläche sich artikulierenden Klang. Kein Zweifel, diese Stilleben sind ausnahmslos der modernen Gegenwart entnommen, nicht arrangiert, sondern gleichsam vorgefunden an den aufgegebenen Rändern des urbanen Alltags. Doch was sie zeigen, ist von barocker Kraft. Künden die poppig-bunten Tags zunächst von neuem, frisch erblühtem Leben, von einer Wiederaneignung der aufgegebenen Territorien und Gemäuer, so deutet in all den leeren, still vor sich hin rottenden Dosen, in Rissen und wie Schimmelsporen in die Mauern eingegrabenen Flecken, selbst in den farbsprühenden und erkennbar organisch inspirierten Formen der Graffitis doch der Verfall sich längst schon an. Die Natur, so zeigt sich zugleich in diesen Bildern, ist langsam, aber beharrlich; treibt grüne Spitzen, entfaltet üppig verschwenderische Pracht und muss am Ende schließlich doch, gerade wie die Zivilisation gewordene Welt, wieder vergehen.
Wo freilich das menschliche Maß nicht darüber hinaus zu blicken vermag,
beginnt in der Natur seit Anbeginn der Welt alles noch einmal von neuem. Und so ist es
nicht eigentlich Trauer, was den Betrachter hier ergreift angesichts des
unablässigen Werdens und Vergehens. Gelassenheit trifft es weit eher, was
McClennans einfühlsamen Blick durch die Kamera begleitet. Und hier wurzeln Zauber
wie Geheimnis dieser Bilder. Eine beinahe heiter zu nennende Melancholie durchweht
diesen Zyklus, deren Begleiterin eine berührende, sehr eigenwillige
Schönheit ist.
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